Onlinewerbung am Scheideweg.

Im Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte ist die Druckbranche immer wieder und immer stärker durch die technischen Möglichkeiten der digitalen Werbung unter Druck geraten. Enorme Anteile der Werbebudgets haben sich über die Jahre von klassischen Printprodukten zu den Googles, Facebooks und Twittern dieser Welt verschoben. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung war und ist die enorme Reichweite von Onlinewerbung bei gleichzeitiger Zielgenauigkeit und die Auswertbarkeit einzelner Kampagnen.

Seit einigen Wochen jedoch, hat sich die quasi grenzenlose Reichweite dieses Werbekanals zu einem echten Problem entwickelt, welches einschneidende Konsequenzen für Anbieter und Nutzer gezielter und nachverfolgter Onlinewerbung haben dürfte: in einer Reihe von Artikeln präsentierte die London Times die Ergebnisse einer Untersuchung des Onlinewerbemarktes. In diesem Zuge berichtete die Zeitung zunächst, dass namhafte Unternehmen, wie zum Beispiel der Automobilhersteller Mercedes-Benz und einige englische Wohltätigkeitsorganisationen, durch ihre Werbemittel die Betreiber von dschihadistischen und rechtsradikalen Webseiten sowie deren Youtube-Kanäle finanziell unterstützten. Kurz darauf veröffentlichte die Times einen zweiten Artikel, der die Kosten sogenannten Werbebetrugs („ad fraud“ oder „advertising fraud“) auf beinahe 20 % der weltweiten Ausgaben für Onlinewerbung schätzt – was einer Summe von ca. 13,2 Mrd. USD entspricht. Große internationale Werbeagenturen forderten im Anschluss Google und Facebook auf, die Ausgaben und Marken Ihrer Klienten besser zu schützen, da diese sonst keinen Cent mehr für Werbung auf deren Kanälen ausgäben, so die Times.

Ein dritter Artikel berichtet, dass unter den betroffenen Werbenden auch etliche staatlich subventionierte Unternehmen (wie der Guardian oder die BBC) sowie mehrere Regierungsorganisationen (z.B. das britische Innenministerium und die Royal Navy) vertreten seien. Die englische Regierung habe folglich und mit sofortiger Wirkung sämtliche YouTube Werbung ausgesetzt und Vertreter von Google zu einer Anhörung vorgeladen, um zu erfahren, wie es dazu kommen könne, dass Steuergelder die Machenschaften von Extremisten mitfinanzieren.
Um die Entstehung – vor allem aber auch die Tragweite – dieses Problems nachvollziehen zu können, bedarf es einer kurzen Erklärung. Insbesondere ist es wichtig zu verstehen, wie dynamische Onlinewerbung ausgestrahlt wird, welche Komponenten dabei von welchem Akteur kontrolliert werden können und wie diese Kontrolle funktioniert.

Unabhängig vom anbietenden Dienstleister besteht die Wertschöpfungskette bei Onlinewerbung aus folgenden Bestandteilen:

  1. Sogenannte Ad-Server (Datenbanken), die sowohl das Werbematerial als auch die vom Werbekunden genannten Zielkriterien („targeting information“) vorhalten sowie die Auswertungsdaten der einzelnen Kampagnen abschließend speichern.
  2. Werbeslots auf Webseiten und in Programmen bzw. Applikationen („Apps“), die als Schnittstelle zwischen den Endnutzern und den Ad-Servern agieren.
  3. Browser bzw. Apps, mit deren Hilfe Endnutzer digitale Inhalte konsumieren.

Abbildung 1 stellt die Beziehung zwischen diesen Komponenten schematisch dar und zeigt den Informationsfluss von Browser bzw. App quasi durch den Werbeslot, zum Ad-Server und wieder zurück. Vereinfacht lässt sich dieser Ablauf folgendermaßen beschreiben: steuert ein Endnutzer mithilfe eines Browsers oder einer App eine Webseite an, die einen dynamischen Werbeslot beinhaltet, fragt letzterer den Browser nach einer ganzen Bandbreite von Informationen. Diese werden dann an den Ad-Server weitergeleitet, der eine dazu passende Werbekampagne auswählt und an den Werbeslot liefert.

Die eingangs erwähnten Recherchen der Times haben nun weitreichende Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass die derzeit gängige Technologie mehr oder weniger komplett auf eine Überprüfung der Trägermedien (also der Webseiten, Apps, Youtube-Kanäle, etc.) verzichtet, auf denen die jeweilige Werbung dann ausgestrahlt wird. Darüber hinaus zeigt der Artikel der Times, dass ein signifikanter Teil der eingesetzten Werbebudgets von Betrügern eingestrichen wird, die mithilfe selbstgeschriebener Computerprogramme massenhaft Werbung auf den ebenfalls von ihnen betriebenen Webseiten anklicken, ohne dass die Werbetreibenden Unternehmen dadurch irgendeine Werbewirkung erzielen können. Sowohl der drohende Imageverlust durch markenschädigende Trägermedien, als auch die Verschwendung von Werbebudgets durch Werbebetrug stellen eine große Herausforderung für Dienstleistungsanbieter, wie Google und Facebook, dar. Die ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich die notwendigen Gegenmaßnahmen zu weiten Teilen nur schwer automatisieren lassen, dementsprechend zusätzliches „Humankapital“ verlangen und entsprechend kostspielig sind.

Es ist dementsprechend wenig überraschend, dass die branchenintern vielfach hochgelobte Glaubwürdigkeit von Printwerbung nun wieder vermehrt von Werbetreibenden und ihren Agenturen hervorgehoben wird.

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Quellen:

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