Blockchain als Content-Börse der Zukunft Auszug aus Printkompress N. 02
Blockchain hat das Potential, die Medienwelt zu revolutionieren. Die Vision der Medienverlage: Facebook und Google die Macht über Daten und Werbeeinnahmen zu entreißen. Unter den Antreibern sind auch einige Deutsche.
Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, so scheint es, sind die Verlierer der Digitalisierung. Die Auflagen der meisten Printtitel sinken seit Jahren, die Werbeeinnahmen im Online-Bereich füllen nicht das Loch, das im konservativen Printgeschäft seit Jahren klafft. So sind 90 Prozent der Medienunternehmen, die journalistische Inhalte produzieren, nach einer Umfrage des Bitkom-Verbands überzeugt, dass Werbung, Anzeigen und Verkaufserlöse nicht mehr ausreichen, um klassische Printmedien zu finanzieren.
Der demografische Wandel verschärft noch dieses Szenario. In der Gruppe der 50- bis 69-Jährigen lesen heute noch 87 Prozent eine Tageszeitung, in der Gruppe der 30- bis 49-Jährigen rutscht der Anteil schon auf 74 Prozent ab, in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sind es nur noch 46 Prozent. Die junge Zielgruppe der Printleser wird aufgrund des demografischen Wandels immer kleiner, zudem steigt die Internetnutzung der jungen Erwachsenen.
Rückblickend erweist es sich zudem als schwerer Fehler, dass die meisten Inhalte kostenlos im Netz angeboten wurden und weiterhin werden. Nicht zuletzt haben die Verlage schwer darunter zu leiden, dass Facebook & Co. ihnen die Werbeeinnahmen abspenstig machen.
Sicher, Ausnahmen gibt es. Der Axel Springer Verlag gehört zu den Positivbeispielen. Im Jahr 2017 haben die digitalen Geschäftsmodelle 71,5 Prozent der Umsatzerlöse, 87,1 Prozent der Werbeerlöse und 80 Prozent des bereinigten Konzernergebnisses geliefert. Doch die meisten Verlage haben noch nicht den Schritt in das Zeitalter der Digitalisierung erfolgreich gemacht und es geschafft, ihren Content als ureigene Kernkompetenz gewinnbringend weiterzuverwerten.
Untätig ist allerdings kaum ein Verlag, um seine Geschäftsmodelle zu erweitern und neue Erlösquellen zu erschließen. Abgesehen vom Feintuning der Paid-Content-Modelle baut so manches Unternehmen Weiterbildungsakademien auf, bringt Hörbücher auf den Markt, erstellt Softwareprodukte, tummelt sich im Content-Marketing-Markt und veranstaltet Kongresse und Messen. Nicht zuletzt kooperieren viele Verlage mit den E-Kiosken, wie United Kiosk und Blendle, wo Inhalte von Verlagen gebündelt werden und dem Leser der einfache Zugriff auf Presseinhalte nach persönlichen Interessen angeboten wird. Dieses Geschäftsmodell steht nicht in Konkurrenz zum digitalen Direktgeschäft der Partnerverlage, sondern ergänzt es.
Doch für viele Experten, wie den Medienwissenschaftler Jason Potts, reicht das nicht aus, um zu überleben. Der australische Medienökonom sieht es als unabdingbar an, dass Verlage die Möglichkeiten einer Blockchain nutzen. Blockchain?
Blockchain, also die Technologie, die durch die Kryptowährung Bitcoin große Bekanntheit erlangt hat. Mithilfe der Blockchain-Technologie können Daten dezentral verwaltet werden. Beispiel Finanzindustrie: Statt Banken in Anspruch zu nehmen, tauschen Anbieter und Kunden das Zahlungsmittel direkt. Auf der zugrunde liegenden Technik hat jede Person Ketten von Datensätzen auf ihrem PC, die sich untereinander abgleichen und die nicht manipulierbar sind. Der Sinn dabei: Das System soll Transaktionen sicherer machen. Und es soll den Markt demokratisieren, weil es ohne Mittler funktioniert.
Für viele Experten folgt als Nächstes die Medienindustrie der Finanzindustrie, was die Technologie Blockchain angeht. „Transformiert wird dabei weniger die Herstellung von Inhalten, sondern vielmehr die Herstellung von Aufmerksamkeit“, sagt Wissenschaftler Potts. Im Visier haben Initiatoren solcher Netzwerke nicht zuletzt Facebook. „Facebook ist ein quasimonopolistischer Mittler zwischen Menschen mit einem Überschuss an Aufmerksamkeit und solchen mit einem Bedarf an Aufmerksamkeit“, sagt Potts. „Auf der einen Seite haben wir Leute, die selbst Medieninhalte herstellen und die Medieninhalte anderer Leute konsumieren.“ Das Problem: Während früher Zeitungsverlage gegen Bezahlung Werbekunden die Aufmerksamkeit ihres Publikums vermittelten, schöpft Facebook den Wert von Userdaten ab, indem diese an Werbekunden verkauft werden.
„Die Zentralisierung hat dazu geführt, dass viele Informationen über die User und ein Großteil der Werbeeinnahmen in der Hand von einigen wenigen Anbietern liegen“, weiß auch Ingo Rübe. Er leitet das Berliner Start-up BOT Labs, das an Innovationen auf Basis von Blockchain arbeitet. „Die Blockchain hat die große Kraft, diese Zentralisierung aufzusprengen und das Internet zu demokratisieren“, sagt Rübe, an dessen Firma der Burda Verlag Minderheitseigner ist. Blockchain senke die Transaktionskosten zwischen den Marktteilnehmern radikal. Auf den Blockchain-Plattformen kann man eigenes Geld haben, entsprechende Tokens können gegen Werteinheiten wie Aufmerksamkeit eingetauscht werden.
Der Weg zu einer konkreten Ausformung der Blockchain in der Medienindustrie sei aber noch steinig, darauf weist BOT-Labs-Chef Ingo Rübe hin. Als ein Beispiel nennt er, dass die Voraussetzungen für die Schaffung einer digitalen, selbstbestimmten Identität noch nicht vorhanden seien. „Der Speicher für die digitale Identität des Einzelnen muss auch beim Einzelnen liegen und darf nicht wie jetzt komplett verstreut sein“, sagt Rübe. „Statt Plattformen die Macht über Daten zu geben, wären Nutzer über eine digitale Identität mit ihren Daten verbunden, die sie anderen zur Verfügung stellen – und auch wieder entziehen können“, so der Technikexperte. „Dies ist aber nur ein notwendiger Bestandteil für eine praktische Ausformung der Blockchain-Technologie in der Medienindustrie. Hinzu kommen rechtliche, politische und weitere technische Aspekte.“
Als ein Visionär auf dem Blockchain-Gebiet gilt der Silicon-Valley-Unternehmer Dirk Lüth. Er wirbt derzeit für das von ihm mitentwickelte Global Content Network, bei dem zukünftig Inhalteanbieter aus der ganzen Welt auf Infrastrukturebene kooperieren und Transaktionen von Inhalten oder Dienstleistungen mithilfe der Tauschwährung Mediacoin einfach und günstig abwickeln. Derzeit sind sieben deutsche Verlage mit dabei, deren Namen Lüth aber noch geheim hält.
Das Global Content Network besteht nach Lüths Darstellung aus vier Elementen. Zum einen aus der eigenen Währung Mediacoin, die als Bezahlmittel fungiert. Des Weiteren aus einem Anreizsystem für Konsumenten, die nach einer aktiven Beteiligung am Netzwerk belohnt werden. „Durch Herausgabe einer eigenen Kryptowährung bekommen die Verbraucher einen Anreiz, durch Ansehen von Videos, Liken oder Teilen von Artikeln und anderen Daten etwas dazuzuverdienen“, wirbt Lüth für das System. Der Tausch der verdienten Währung gegen Bezahlinhalte sei natürlich auch möglich. Dritter Bestandteil ist ein digitaler Companion, der als universeller Log-in für alle Mitgliederseiten fungiert, aber auch die persönlichen Daten, die Zugriffsrechte auf Medien sowie den Mediacoin speichert. „Der Konsument hat über die Blockchain stets die Kontrolle, was mit den Companion-Inhalten passiert“, sagt Lüth. Als Organisationsform hat er eine Stiftung vor Augen, die die Technologie entwickelt und als unabhängige Kraft im Netzwerk agiert.
Für so manchen Experten dürften noch ein paar Jahre ins Land gehen, bis derartige Modelle Realität werden. „Manche Blockchain-Anhänger gehen überhastet vor, indem sie – übertragen auf die Bauindustrie – ein Hochhaus bauen wollen, ohne aber Beton zur Verfügung zu haben“, sagt BOT-Labs-Chef Rübe. „Es ist aber gut und notwendig, heute schon über die Hochhäuser zu reden. Wir müssen aber auch immer Erwartungsmanagement betreiben: Wir stehen erst am Anfang einer sehr großen Sache.“
Quelle Darstellung: Statista