Comeback statt weg: Der Katalog als effektives Werbemittel

OTTO hat ihn abgeschafft, IKEA bleibt dabei und mittlerweile haben auch reine Online-Händler seine Vorteile entdeckt – der gedruckte Katalog mag zu den altmodischen Marketinginstrumenten gehören, ist aber nach wie vor ein effektiver Bestandteil des Marketing-Mix und erfährt derzeit ein Comeback.

Empirisch belegte Werbewirkung
Wie Unternehmen von diesem Trend profitieren können, hat Jonathan Zhang, Assistant Professor für Marketing an der Colorado State University, jüngst in einem Feldexperiment mit einem Online-Luxusjuwelier herausgefunden.

Auf sein Anraten brachte das Schmuck-Unternehmen alle zwei Monate einen künstlerisch fotografierten, hochwertig und veredelt gedruckten Katalog heraus. 30 Prozent seiner in den USA ansässigen Kunden bespielte er folgendermaßen: Fünf Prozent erhielten als Kontrollgruppe (KTR) sechs Monate lang weder Email noch Kataloge, 55 Prozent erhielten eine wöchentliche Marketing-Email und 40 Prozent erhielten zusätzlich zum wöchentlichen Email-Marketing die neuen zweimonatlich erscheinenden Kataloge. Um die Auswirkungen des Inhalts zu kontrollieren, waren über 90 Prozent der Produkte in Emails und Katalogen gleich, in beiden Medien wurde also der gleiche Satz von Fotos und Beschreibungen verwendet. Anschließend wurden die Käufe und Produktanfragen in allen drei Gruppen von dem Studien-Team verfolgt.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe „Email & Katalog“ im Vergleich zur Gruppe „Nur Email“ einen Anstieg der Verkäufe um 15 Prozent und der Anfragen um 27 Prozent verzeichnete. Rund 90 Prozent der Kunden hatten den Katalog durchgeblättert und behielten ihn im Schnitt sieben Tage lang. Im Vergleich dazu lag die Öffnungsrate der Werbe-Emails nur bei 26 Prozent. Zhang und sein Team berechneten aus den Ergebnissen, dass der Online-Juwelier einen zusätzlichen jährlichen Gewinn von 180 Dollar pro Kunden machen würde, wenn er allen Kunden einen Katalog schickte.

Die neue Rolle des Katalogs im Marketing-Mix
Das Experiment der Colorado State University ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Katalog als Werbemittel quicklebendig ist. Allerdings hat sich seine Rolle im Zuge der Digitalisierung grundlegend verändert. Früher ein Bestellkanal, dient er vor allem zur Inspirations- und Orientierungsquelle sowie immer mehr als Impulsgeber für den Kauf im Webshop. Denn Bestell-Hotlines haben weitgehend ausgedient.

Altes Konzept neu aufgelegt
OTTO hat Anfang Dezember 2018 nicht etwa den Katalog an sich abgeschafft, sondern den Hauptkatalog mit allen erhältlichen Waren – dessen Aufgabe übernimmt nun der Onlineshop. Dennoch bringt OTTO nach wie vor auf wenige Seiten reduzierte Spezialkataloge für bestimmte Produktkategorien (Sportbekleidung, Gartenartikel, Kosmetik) heraus, sofern die Kunden online ausdrücklich zugestimmt haben, diese erhalten zu wollen. Amazon druckte passend zum Weihnachtsgeschäft – zu eben jenem Zeitpunkt, an dem OTTO seinen letzten Gesamtkatalog anfertigen ließ – das erste Mal überhaupt einen Katalog seines Spielzeugsortiments für die USA. Die modelastigen Unternehmen Boden, Conleys, Bon Prix und Zalando, vertreiben seit Jahren Prospekte sowie sogenannte Magaloge, eine Kombination aus Katalog und Magazin.

Der Kundenstamm hängt vom Produkt ab
Die Ergebnisse des von Jonathan Zhang durchgeführten Experiments lassen darauf schließen, dass sich hochwertig produzierte Kataloge vor allem für Onlinehändler eignen, die ihren Kunden hedonistischen Lifestyle in Form von Genuss, Spaß und Luxus verkaufen wollen.
Schon die Zusammensetzung der Unternehmen, die sich dem Marketinginstrument Katalog bedienten, zeigt die Bandbreite des Kundenstamms über Kataloge: Ikea ist dabei, mit rund 30 Millionen gedruckten Exemplaren an Kunden aller Alters-, Sozial- und Geschlechtsgruppen, der stärkste Katalogverbreiter. Zalando, Bon Prix & Co. setzen ihre Kataloge für die Bestandskundenpflege und Neukundengewinnung bei jungen, modebewussten Frauen ein. Die Weihnachtskataloge von Amazon sind klar auf Eltern und Kinder ausgerichtet.

Die Rolle des Katalogs im multimedialen Kontext
Analoge Werbung braucht digitale Daten. Der Katalog ist damit immer Teil einer orchestrierten Marketingkampagne. Wie die Ergebnisse des Experiments der Colorado State University zeigen, sind die Effekte am größten, wenn digitale Marketinginstrumente mit Print-Katalogen kombiniert werden. Denn während der Onlineshop zwar alle Waren gut sortiert bereithält und effektiv filtern kann, vermag ein gut fotografierter und hochwertig produzierter Katalog beim Kunden Wünsche zu wecken, denen er sich vorher gar nicht bewusst war. Damit ist und bleibt der physisch vorhandene Katalog für die Verbraucher mehr als eine flüchtige Momentaufnahme, die im digitalen Grundrauschen untergeht.

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