Warum gibt es trotz Krise so wenige Insolvenzen? Ein Erklärungsversuch.

Neben der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ haben auch die Überbrückungshilfen und die geänderte Bewilligungsgrundlage für das Kurzarbeitergeld einen Anteil an der niedrigen Anzahl an Insolvenzen. Da lediglich die Aussetzung der Insolvenzpflicht schon im Frühjahr 2021 beendet wurde und die anderen beiden Maßnahmen weiterhin galten, blieb die Zahl der eröffneten Insolvenzen auch im Jahr 2021 ungewöhnlich niedrig. Dies wird sich auch im Jahr 2022 so darstellen. Apenberg & Partner rechnen frühstens 2023 mit einer Rückkehr zu der Zahl der Insolvenzen auf das Vor-Pandemie-Niveau.

Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 entstand die Sorge, dass als Folge der Corona-Schutzmaßnahmen die Zahl der Insolvenz stark steigen würde. Dies versuchte die Bundesregierung unter anderem mit drei Mitteln zu verhindern. Zur Wahrung der Liquidität und Zahlung der Fixkosten gab es die „Überbrückungshilfen I – IV“ für Unternehmen (1). Die „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ sollte Insolvenzen bei Unternehmen verhindern die Zahlungsunfähig wurden, aber bereits Zahlungen der Corona-Soforthilfen in Aussicht hatten (2). Zusätzlich wurden die Bewilligungsgrundlagen für das Kurzarbeitergeld vereinfacht und der Zeitraum über den Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen können, verlängert (3). Vielfach wurde erwartet, dass die Zahl der eröffneten Insolvenzen im Zeitraum der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ von Beginn der Pandemie bis einschließlich April 2021 sinken und im Anschluss stark ansteigen würde. So sind auch wir bei Apenberg & Partner in unserem Blog „Aktualisierte „Corona-Prognose für die Druckindustrie“: Entwicklung von BIP und Insolvenzen“ (4) davon ausgegangen, dass nach Auslauf der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ die Zahl der eröffneten Insolvenzen steigen würde. Abbildung 1 gibt darüber Aufschluss, ob diese Erwartung erfüllt wurde.

Die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren sinkt seit 2015 deutschlandweit. 2019 ist die Zahl der jährlich eröffneten Insolvenzen um 3.352 auf 13.609 gesunken. Die Entwicklung der eröffneten Insolvenzen in der Druckindustrie war bis 2019 ähnlich. Hier ist die Zahl der jährlich eröffneten Insolvenzverfahren zwischen 2015 und 2019 um 36 auf 89 gesunken. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2017, dort gab es lediglich 73 eröffnete Insolvenzverfahren. Der Anteil der eröffneten Insolvenzverfahren an der Gesamtheit der Betriebe der Druckindustrie liegt in diesen fünf Jahren durchgängig bei gut einem Prozent. Die Anzahl der jährlich eröffneten Insolvenzverfahren in der Verpackungsindustrie ist in der Zeitspanne von 2015 bis 2019 nahezu gleichgeblieben. 2015 wurden sechs Insolvenzverfahren eröffnet und 2019 waren es fünf.

Von besonderem Interesse sind die eröffneten Insolvenzverfahren in den beiden von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021.

Die Zahl der im Jahr 2020 eröffneten Insolvenzverfahren, liegt sowohl in der Druckindustrie als auch in der Verpackungsindustrie auf einem Niveau, dass ohne Corona-Pandemie zu erwarten wäre. Unternehmen, die bereits vor Beginn der Corona-Pandemie in Schieflage geraten waren, konnten nicht von der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“, die von 01.03.2020 bis einschließlich 30.04.2021 galt, profitieren. Diese galt nur für Unternehmen deren Krise durch die Pandemie begründet war und denen eine Zahlung der „Corona-Hilfen“ in Aussicht stand.

Deutschlandweit ist im Jahr 2020 eine andere Entwicklung zu beobachten: die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren im Jahr 2020 lag mit 11.063 rund 20 Prozent unterhalb des Vorjahreswertes. Dies ist unter Umständen dadurch zu erklären, dass in dieser Statistik Wirtschafsbereiche mit einfließen die deutlich gravierender unter der Corona-Pandemie litten als die Druck- oder Verpackungsindustrie. Für diese Wirtschaftszweige traf die Regelungen der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ bereits mit Beginn der Pandemie zu. Insolvenzen konnten so vermieden werden.

Die Anzahl der eröffneten Insolvenzverfahren im Jahr 2020 in der Druck- und der Verpackungsindustrie deuten darauf hin, dass die gewählten Methoden zur Abmilderung der Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen wie geplant wirkten. Es ist kein übermäßiger Anstieg der Insolvenzen zu erkennen, der darauf hindeuten würde, dass die Maßnahmen nicht wie geplant wirken. Außerdem ist kein extremer Rückgang der Insolvenzahlen zu erkennen. Ein Rückgang würde implizieren, dass durch die getroffenen Maßnahmen auch Unternehmen vor einer drohenden Insolvenz gerettet wurden, denen diese auch ohne die Corona-Pandemie gedroht hätte.

Ein anderes Bild ist im Jahr 2021 zu erkennen. Die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren ist sowohl in der Druckindustrie (47 Prozent) als auch in der Verpackungsindustrie (80 Prozent) stark zurückgegangen. Auch wenn diese Entwicklung auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, lässt sie sich durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren erklären. In Jahr zwei der Pandemie konnte in der Druck- und Verpackungsindustrie verstärkt die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen als Ursache für eine drohende Insolvenz herangezogen werden. Kombiniert mit den Corona-Hilfen konnten so Insolvenzen abgewendet werden. Die „Corona-Hilfen“ in Form der Überbrückungshilfen I – IV wurden im Zeitraum von Sommer 2020 bis Juni 2022 gewährt. Darüber hinaus wurden die Kriterien für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld gelockert. Anders als zuvor reichte ein zehnprozentiger Arbeitsausfall bei zehn Prozent der Beschäftigten für eine Bewilligung von Kurzarbeitergeld aus. Für ein Unternehmen mit einer Personalkostenquote von 50 Prozent gemessen am Rohertrag, bedeutet dies beispielsweise: für jede zehn Prozent der Personalkosten, die durch das Kurzarbeitergeld abgedeckt sind, wird ein Umsatzrückgang von fünf Prozent kompensiert, ohne dass das Ergebnis beeinträchtigt wird (5). Werden in diesem Beispiel 20 Prozent der Personalkosten durch das Kurzarbeitergeld abgedeckt, kann dadurch ein Umsatzrückgang von 10 Prozent kompensiert werden. Der abrupte Rückgang der eröffneten Insolvenzzahlen im Jahr 2021 in der Druck- und Verpackungsindustrie deutet auf ein Zusammenspiel der „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“, den Überbrückungshilfen sowie dem Kurzarbeitergeld hin.

Ein signifikanter Anstieg der Anzahl der eröffneten Insolvenzen ist in diesem Jahr nicht zu erwarten. Lediglich die „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ gilt aktuell nicht mehr, wie bereits den Großteil des Vorjahres. Die Überbrückungshilfe IV konnte noch bis 15. Juni 2022 beantragt werden, sodass entsprechend noch die Zahlung dieser Hilfen ausstehen können. Ebenso gelten die geänderten Bewilligungskriterien für das Kurzarbeitergeld bis 30. September 2022.

Eine Rückkehr der Anzahl der Insolvenzeröffnungen auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie erwartet Apenberg & Partner daher nicht vor 2023 oder 2024 – vorausgesetzt, es kommt nicht zu erneuten Sondermaßnahmen vergleichbarer Art.

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