Ein Markt für nur Wenige?

Online-Druckereien haben mit ihrem damals neuen Geschäftsmodell in etwa zehn Jahren die gesamte Branche umgekrempelt. Und sie befinden sich weiter auf Wachstumskurs. Daher scheinen die Karten für Open-Shops verteilt. Allerdings bietet WEB-TO-PRINT noch immer große Chancen, die eigenen Kunden von den Vorteilen profitieren zu lassen.

Allein der deutsche Sprachraum ist mit einem Drucksachen-Volumen von rund 27 Mrd. Euro schon groß genug, um Begierlichkeiten zu wecken. So groß eben, dass sich inzwischen einige Hundert Online-Druckereien an diesem Markt bedienen wollen. Inzwischen macht der Druckumsatz via Internet in der DACH-Region schon mehr als 2,1 Mrd. Euro aus. Und weiteres Wachstum ist angesagt.

Zwar ist der Zuwachs in Deutschland noch immer signifikant, in anderen Ländern Europas ist er aber offenbar noch höher. Deshalb peilen die großen Online-Drucker längst auch andere Märkte an. Der Drucksachen-Markt in den 27 von Eurostat erfassten Ländern wird von rund 130.000 Druckereien bedient und ist etwa 100 Mrd. Euro schwer. Knapp 20% davon sehen Internet-Druckereien als relevantes Marktpotenzial an.

Dabei lässt dieses Potenzial schon erkennen, um was es hier geht: um standardisierte, vergleichsweise einfache Drucksachen, die nicht unbedingt in den Bereich der Großauflagen fallen. Vor allem der Markt mit Visitenkarten, Geschäftsausstattungen, Flyern und Broschüren bewegt sich aufgrund der kleiner werdenden Auflagen und dem Bedarf an der On-Demand-Produktion weiter Richtung Internet.

Wie Sand am Meer

»Onlinedruckereien gibt es doch schon wie Sand am Meer«, ist von Druckern immer wieder zu hören, »und das sind nicht unbedingt unsere Freunde, weil sie die Preise kaputtmachen.« Sicher? Wer sich einmal etwas intensiver im Internet umschaut, wird feststellen, dass viele Online-Angebote gar nicht so preiswert sind, wie immer behauptet wird. Und die Lieferzeiten (bei Standardproduktionen bis zu sieben Arbeitstage) sind auch nicht unbedingt das, was man in der Branche seit Jahrhunderten unter einem ›Schnellschuss› versteht.

Natürlich gibt es Geschäftsdrucksachen oder Flyer zu Preisen, an die früher niemand gedacht hätte. Aber das ist einmal darauf zurückzuführen, was man seit Jahren unter industriellem Drucken versteht und zweitens ist das der Tribut, den die Branche an die Überkapazitäten und die fortschreitende Prozessoptimierung zahlen muss. Denn preiswert anzubieten und da bei gleichzeitig auch wirtschaftlich zu produzieren, funktioniert nur dann, wenn alle Prozesse einer Druckerei – vom Auftragseingang bis zur Logistik – optimiert und perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Perfekt geschmierte Maschinerie

Es geht also um eine perfekt geschmierte Maschinerie, eine Kombination aus optimiertem Materialeinkauf (beim Einkauf großer Mengen an Papieren liegt der durchschnittliche Bogenpreis unter dem einer klassischen Druckerei), perfektionierten IT-gesteuerten Prozessen, Services wie verständlichen Produktionsanleitungen, Video-Tutorials, Call-Center, Versand und Logistik.

Wenn der flyeralarm-Geschäftsführer Thorsten Fischer in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin ›Brand eins‹ erklärt hat »Wir sind keine Druckerei, sondern ein Logistik-Dienstleister«, spricht das Bände. »Das Drucken ist nur einer von elf Arbeitsschritten. Auf die anderen zehn kommt es an: vom Internet-Auftritt über die Kundenbetreuung und Rechnungsstellung bis zur fristgerechten Auslieferung«, erläutert er weiter.

Dabei geht es den Online-Druckereien längst nicht mehr um den niedrigsten Preis. Andere Faktoren wie erweiterte Materialauswahl und Produktvielfalt, kurze Lieferzeiten und selbst klimaneutrales Drucken sind Faktoren, die für die Weiterentwicklung von Online-Portalen von immenser Wichtigkeit geworden sind. Neue Produkte können also erst dann in das Angebot aufgenommen werden, wenn alles rund um die Bestellung, die Produktion und den Versand optimiert ist. Denn Fehler oder Anlaufschwierigkeiten kann sich in diesem knallharten Business niemand mehr leisten.

Bei einem gut durchorganisierten Web-to-Print-Workflow sind allein in der Vorstufe Einsparungen von bis zu 60% erzielbar, zusammen mit dem Druck immerhin bis zu 40%. Durch die automatisierten Prozesse im administrativen Bereich einschließlich Kalkulation verkürzt sich die Reaktions- und Lieferzeit für den Kunden jedoch um bis zu 80%.

Das Erfolgsgeheimnis liegt also im Bereich der Auftragsabwicklung und der Vorstufe. Bestellt ein Kunde bei einer Online-Druckerei etwa Briefpapier, wird dieses mit den Drucksachen anderer Kunden auf einer Sammelform zusammengestellt und gedruckt. Mehrere Besteller teilen sich so die Kosten für die Druckform und den Druck. Selbst bei unterschiedlichen Auflagen ist ein solcher Auftrag für den jeweiligen Kunden immer günstiger als beim Einzelauftrag.

Ein Beispiel: Bei gleichen Auftragsparametern kostet ein Folder im Wickelfalz in einer Auflage von 1.000 Stück bei einer klassischen Offset-Druckerei etwa 450 Euro; bei der Online-Druckerei ›print24‹ kostet der Wickelfalz- Flyer auf 135-Gramm-Papier je nach Lieferzeit 65 Euro (sieben Tage), 73 Euro (vier Tage) oder knapp 100 Euro (Overnight). Aber es geht auch billiger. Bei ›diedruckerei.de‹ werden bei einer Lieferzeit von vier bis fünf Arbeitstagen 55 Euro aufgerufen. Das alles natürlich inklusive Versand und Mehrwertsteuer. Aber wer will denn gleich 1.000 Exemplare bestellen? Geliefert werden für 53 Euro auch Kleinauflagen ab 100 Stück (wie etwa bei ›flyeralarm‹). Was erstens ein Anreiz für viele neue Kunden der Branche ist: Wer hätte für seine kleine Pension bei einem jährlichen Bedarf von 100 Prospekten schon 1.000 Vierfarb-Flyer bestellt? Und was zweitens auch ein Vorteil für die vielen kleineren und regional tätigen Druckereien sein kann.

Drucken lassen

»Für die 55 Euro kann ich doch noch nicht einmal die Platten belichten«, klagen viele. Eben. Genau das ist es nämlich – und deshalb bestellen viele Druckereien ja auch bei ihren ›Online-Kollegen‹. Einige Hundert sollen es alleine bei ›druckdiscount24‹ in Köln sein – und bei ›flyeralarm‹, ›Onlineprinters‹ & Co. dürften es sogar noch mehr sein. Schließlich bleibt den Druckereien, die drucken lassen, ja nach wie vor der Kundenkontakt, sie können ihre Kunden beraten, deren Daten optimieren und die eingekauften Drucksachen mit einer für sie kalkulierbaren Marge pünktlich liefern.

Denn vor allem das ist die Stärke der Online-Druckereien: Standardprodukte in vergleichsweise kleinen Auflagen zu günstigen Preisen. Steigt die Auflage, wird die Preisschere zwischen einer Internet-Druckerei und einer ›normalen Druckerei‹ allerdings immer kleiner. Ganz zu schweigen von den Drucksachen, die mehr als Standard sein sollen wie etwa beim Format, beim Papier, bei der Veredelung oder bei den vielfältigen Weiterverarbeitungsoptionen. Da wird der Drucksacheneinkäufer, will er bei seiner Konzeption oder seinem Auftrag keine Kompromisse machen, zwangsläufig zu einer traditionellen Druckerei gehen müssen. Das ist ja auch der Grund weshalb dem ›E-Commerce‹ generell natürliche Grenzen gesetzt sind.

Verschiedene Geschäftsmodelle

Es gibt wohl kaum noch eine Druckerei, die nicht auch im Internet präsent wäre. Doch agieren sie dort mit höchst unterschiedlichen Geschäftsmodellen.

Einmal kennt man die reinen Online-Druckereien, die mit offenen Shops an jedermann richten. Sie bieten ein extrem breites Sortiment an, das Kunden in Echtzeit kalkulieren können und bestellen können. Das breite Produktspektrum wird zum Teil durch Kooperationen mit anderen Druckereien möglich. Typisches Beispiel ist hier Saxoprint, die Flyer bis zu Auflagen von 200.000 Exemplaren anbieten, diese dann aber bei einem Partner im Rollenoffsetdruck produzieren lassen.

Auf den Zug Online-Druck sind auch Re-Seller aufgesprungen, die selbst gar nicht drucken und Bestellungen direkt an Online-Druckereien weitergeben. Zum Teil werden dabei sogar die gleichen Portale genutzt – lediglich der Name ist anders. Zudem bieten Druckereien ihren Kollegen via Internet-Portal komplette Drucksachen oder Druckbogen an, die selbst weiterverarbeitet werden können.

Die vorgenannten Geschäftsmodelle lassen sich allesamt in der Kategorie ›offene Web- Shops‹ unterbringen, deren Zahl in den letzten Jahren stetig angestiegen ist, inzwischen aber stagniert. Daneben – und das dürfte eine weitaus größere Anzahl sein – nutzen Druckereien das Potenzial des Internets, um ihren Stammkunden eine Plattform für ihre Drucksachenbestellungen rund um die Uhr zu geben. Diese Portale bieten zumeist die Möglichkeit, fest definierte Drucksachen wie Visitenkarten oder Broschüren mit veränderten Texten oder variierenden Adressen zu aktualisieren. Diese sogenannten ›Closed Shops‹ bieten Bestandskunden ein Mehr an Service. Dabei ist es durchaus möglich, die Kunden der Kunden in den Bestellprozess mit einzubinden.

Das bedeutet, dass Druckereien, die vielleicht noch nicht unter die Online-Drucker gegangen sind, in Nischen Drucksachen schaffen können, die andere nicht an bieten. Doch dieser Schritt will wohl überlegt sein.

Uneinholbar?

Schließlich haben Flyeralarm mit rund 250 Mio. Euro Umsatz und andere Big Player wie Onlineprinters (50 bis 100 Mio. Euro Umsatz) oder Saxoprint (43 Mio. Euro) neben einigen anderen Konkurrenten in stattlicher Größenordnung der Branche eine neue Dimension aufgezeigt. Sie waren die Ersten, die sich den Markt geteilt haben und weiter expandieren. Uneinholbar also?

Fakt ist, dass es dieses Geschäftsmodell bereits seit geraumer Zeit gibt und wer es versäumt hat, von Beginn an mit dabei zu sein, kann nur noch ›Me-too‹-Anbieter sein. Wer dies nicht beachtet, läuft Gefahr, Geld zu verbrennen, weil ein Spitzenplatz unter den Online-Druckern wohl nicht mehr erreichbar ist.

Dabei scheinen die Geschäftsmodelle und der Markt so attraktiv zu sein, dass sich inzwischen selbst Finanz-Investoren für das Drucken interessieren und sich bei Online- Druckern engagieren. So hat sich jüngst TA Associates an der Onlineprinters GmbH beteiligt, der spanische Print-on-Demand-Anbieter Hofmann akquirierte das auf Poster, Foto- und Fine-Art-Prints spezialisierte Portal Posterjack (mit immerhin 10 Mio. Euro Umsatz) und Cewe Color kaufte im Februar 2012 die Saxoprint GmbH in Dresden. Nach der Übernahme und kräftigen Investitionen in Werbung machte die Druckerei einen Umsatzsprung von 31,4 Mio. Euro auf 43 Mio. Euro und will bis 2016 weiter auf über 100 Mio. Euro wachsen.

Um der steigenden Online-Nachfrage nachzukommen, kaufen die großen Internet-Druckereien eine Druckmaschine nach der anderen und setzen auf Expansion. Dadurch kommt eine Spirale in Gang, die den meisten anderen Druckereien verwehrt bleibt: Durch den Einkauf größerer und damit günstigerer Papierkontingente und den Einsatz immer effektiverer Druck- und Verarbeitungsmaschinen lassen sich die Preise weiter senken – eine Phase, die (von Ausnahmen abgesehen) jedoch abgeschlossen zu sein scheint. Die Preise sind in den letzten Monaten weitestgehend konstant geblieben.

Dennoch ist das Drucken für die Kunden attraktiver und für manche aufgrund der angebotenen kleinen Mengen erstmals bezahlbar geworden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Online-Druckereien das Medium Print an sich stärken, neue Märkte öffnen und Kundengruppen ansprechen, die bisher für die Druckbranche nie erreichbar waren. Dass davon aber nicht alle profitieren können, ist eben das Gesetz des Marktes.

Werbung in eigener Sache

Für die meisten Druckereien dürfte der Zug ›Online- Druckerei‹ für den breiten Markt ohnehin abgefahren sein. Wer aber dennoch den Ehrgeiz verspürt, sich in diesem Markt zu tummeln, wird wohl viel Geduld aufbringen oder richtig viel Geld in die Hand nehmen müssen. Denn die Tatsache alleine, im Internet präsent zu sein, reicht nicht aus. Die Kunden und potenziellen Besteller müssen es auch wissen. Das heißt, dass Druckereien mehrdenn je Werbung in eigener Sache machen müssen. Und zwar nicht nur in der Jubiläumszeitung des örtlichen Männer-Gesangvereins.

Wenn sich in einem Markt statt der bisher fünf oder zehn regionalen Anbieter nunmehr 100 Druckereien mit vergleichbarem Leistungspotenzial ein Rennen um die Gunst der Kunden liefern, gewinnt derjenige, der sich bereits im Kopf der Kunden ›verankern‹ konnte. Denn die Gesetze der Markenbildung und des Marketings gelten auch für Druckereien. Deshalb sehen wir plötzlich Bandenwerbung von Druckereien bei Fußballspielen selbst auf internationaler Ebene und genauso sieht man zwischen Trainings-Sessions der Formel 1 komplette TV Werbespots beispielsweise vom Anbieter ›wir-machendruck.de‹. Weil nur Unternehmen, die alle Register des Marketings ziehen, die sich von einer No-Name-Druckerei ohne Gesicht zu einer Marke wandeln, künftig noch eine Chance im Wettbewerb haben.

Wer seine Online-Kunden zudem auch noch mit perfekt abgewickelten Aufträgen begeistert und das mit jedem weiteren Auftrag bestätigt, hat alles richtig gemacht. Denn Verbraucher wenden sich Marken zu, denen sie vertrauen können ohne deren Leistungsfähigkeit jedes Mal zu hinterfragen. Und auch wenn dies alles bei Closed Shops vielleicht nicht ganz so ausgeprägt ist – auch hier erwarten die Kunden saubere, zuverlässige und termingerechte Arbeit.

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